Multiple Sklerose
Die Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung, welche die Nervenbahnen im
Gehirn und Rückenmark befällt.
Oft wird auch die Bezeichnung "Enzephalomyelitis disseminata" (ED oder EMD) verwendet.
Übersetzt heißt dies :
Eine im Gehirn (Enzephalon) und Rückenmark (Myelon)
verstreut (disseminiert) auftretende Entzündung.
Die Nervenbahnen unseres Körpers sind, einem Kabel vergleichbar, durch eine
Schicht -die Myelinschicht- isoliert. Dadurch werden die vielfältigen
Signale, die unser Gehirn aussendet und empfängt, geschützt.
Entsteht ein Entzündungsherd im Bereich dieser Schutzschicht können die
Botschaften nicht so wirkungsvoll übertragen werden.
Das Auftreten von einem oder mehreren (multiplen) Entzündungsherden mit
entsprechenden körperlichen Störungen und Ausfällen nennt man Schub.
Ein solcher Schub hat nichts mit einem plötzlichen Anfall zu tun - meist
entwickelt er sich innerhalb von Stunden oder Tagen und klingt nach einiger
Zeit wieder ab.
Danach kann eine Rückkehr zur normalen Funktion eintreten oder das
entzündete Nervengewebe vernarbt (sklerosiert).
Dadurch kann es zu ganz unterschiedlichen Krankheitsanzeichen und/oder
Symptomen kommen, was eine Diagnose sehr schwierig macht.
Die häufigsten Anzeichen sind :
- Mißempfindungen
- Spastiken
- Taubheitsgefühle
- Seh-, Sprach- oder Koordinationsstörungen
Ausgelöst durch manche dieser starken Beeinträchtigungen können schwere
psychische Verstimmungen auftreten.
Ursache
Die Ursache der Erkrankung ist noch nicht bekannt.
Der Myelinschwund bei MS könnte durch eine abnorme Reaktion des
körpereigenen Immunsystems bedingt sein.
Dieses verteidigt normalerweise den Körper gegen eindringende Organismen
(Bakterien und Viren). Viele Besonderheiten der MS deuten auf eine
"Autoimmumkrankheit" hin, bei der der Körper seine eigenen
Zellen und Gewebe angreift. Im Fall der Multiplen Sklerose ist dies
das Myelin.
Es ist nicht bekannt, was das Immunsystem veranlaßt, das Myelin anzugreifen.
Doch wird angenommen, daß es sich um eine Kombination mehrerer Faktoren
handelt. Man geht davon aus, daß bei dieser Erkrankung im Wesentlichen ein
Virus beteiligt ist, das zunächst unauffällig im Körper ruht.
Das Virus könnte das Immunsystem stören oder die Autoimmunreaktion indirekt
auslösen.
Wahrscheinlich handelt es sich nicht um ein einziges MS-Virus.
Vielmehr könnte ein gewöhnliches Virus wie das Masern- oder Herpes-Virus als
Auslöser wirken.
Durch diesen werden im Blutkreislauf weiße Blutkörperchen (Lymphozyten)
aktiviert, die in das Gehirn vordringen, indem sie dessen Abwehrmechanismus,
die "Blut-Hirn-Schranke", schwächen. Dort aktivieren die
Lymphozyten dann weitere Bestandteile des Immunsystems so, daß diese das
Myelin angreifen und zerstören.
Außerdem gibt es Beweise dafür, daß MS bei Menschen mit genetisch bedingter
MS-Anfälligkeit häufiger auftritt. Diese Theorien ergänzen sich gegenseitig.
Ein gewöhnliches Virus könnte das Immunsystem einer Person mit genetisch
bedingter Anfälligkeit veranlassen, das Myelin des Zentralnervensystems
anzugreifen und zu beschädigen.
Diagnose
Das Erscheinungsbild der MS ist sehr unterschiedlich und manchmal ist es
selbst für einen erfahrenen Arzt schwierig, die Diagnose zu stellen. Um
alle anderen Ursachen und Krankheiten auszuschließen, ist es daher notwendig
eine gründliche neurologische Untersuchung durchzuführen.
Durch eine Reihe neuer Verfahren ist dies in den letzten Jahren sehr
erleichert worden.
Die Untersuchung der Sehnerven kann mit Hilfe der
"Schachbrettmusteruntersuchung" bereits in der Arztpraxis des
Neurologen gemacht werden.
Die
Computertomographie (CT),
ist eine Röntgenschichtuntersuchung und
kann genutzt werden, um andere Erkrankungen des Nervensystems
auszuschließen.
Eine wesentlich genauere Aussage läßt sich heutzutage mit Hilfe der
Kernspintomographie
(NMR oder MRT) treffen. Anstelle von Röntgenstrahlen, wie bei der
CT
, werden hier Magnetfelder verwendet.
Eine MS allein aufgrund einer Kernspintomographie mit ausreichender
Sicherheit festzustellen, ist allerdings nicht möglich.
Nach wie vor ist zur Sicherung einer MS-Diagnose die Untersuchung des
Nervenwassers (Liquors) mit Hilfe der
Lumbalpunktion
wichtig. Dabei weisen bestimmte Eiweißkörper auf eine besondere Form der
Entzündung im Zentralnervensystem hin.
Zusammenfassend kann man sagen, das die Diagnosestellung wie ein Puzzle ist.
Je mehr Teilen zusammenpassen, desto sicherer die Diagnose.
Wer erkrankt an MS ?
Multiple Sklerose ist eine Krankheit junger Erwachsener. In über 80% aller
Fälle wird die MS im Alter zwischen 20 und 50 Jahren festgestellt.
Frauen haben eine höhere Erkrankungswahrscheinlichkeit als Männer. Das
Verhältnis beträgt etwa 3 zu 2.
Antworten auf häufig gestellte Fragen
MS ist nicht ansteckend
Freunde und Familienangehörige können sich nicht infizieren.
MS ist nicht tödlich
In einer 1971 durchgeführten Studie wurde festgestellt, daß 25 Jahre nach
der Diagnose 74% der MS-Kranken noch lebten, verglichen mit 86% der
Gesamtbevölkerung. Dies zeigt, daß die Lebenserwartung um weniger als 15%
gekürzt wird.
MS ist keine ererbte Krankheit
und wird nicht genetisch übertragen,
doch scheint es eine gewisse genetisch bedingte Anfälligkeit zu geben. Dies
erklärt das geringfügig höhere Erkrankungsrisiko in Familien, in denen MS
bereits aufgetreten ist. Das etwas höhere Risiko der Kinder und Geschwister
von MS-Kranken könnte durch eine allgemeine Anfälligkeit und eine gemeinsame
Umwelt bedingt sein.
Schwäche und Müdigkeit
sind häufig Symptome der MS und selten sind sie sogar die Einzigen. In einem
solchen Fall kann es leicht zu Mißverständnissen innerhalb der Familie
kommen.
Da der Patient/die Patientin so gesund wie eh und je aussieht, ist man der
Meinung, er/sie müßte auch genauso aktiv sein. Zu Unrecht steht oft der
Vorwurf im Raum, daß man einfach nur "faul" sei, obwohl die Ausdauer und
körperliche Kraft durch die Krankheit in Wahrheit stark herabgesetzt
sind.
Überanstrengung führt aber oft zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der
Symptome und sollten weitgehend vermieden werden.
Dies bedeutet jedoch nicht, jegliche körperliche Aktivität zu unterlassen.
Folgende Vorschläge können helfen, die Kräfte einzuteilen und eine
Überanstrengung zu vermeiden :
- Regelmäßiger, ausreichender Schlaf ist sehr wichtig.
- Man sollte körperlich so aktiv wie möglich bleiben, aber nie bis zur
Erschöpfung.
- Es ist sehr wichtig, die eigenen Grenzen zu erkennen. Obwohl und gerade
weil sie sich von Tag zu Tag ändern.
- Muß eine lange, ermüdende Aufgabe übernommen werden, ist es wichtig
schrittweise zu arbeiten. Ratsam ist es , vor jedem Schritt eine Ruhepause
einzulegen
- Ratsam ist es auch, die anstrengendsten Tätigkeit vormittags
einzuplanen, da dann die meiste Energie vorhanden ist
- Falls es erforderlich ist, sollte man zwischendurch mal ein Schläfchen
halten oder sich ausruhen, bis man sich wieder gestärkt fühlt.
MS und Wärme
Für viele, aber nicht für alle, scheint Wärme eine vorübergehende
Verschlechterung der Symptome zu bewirken. Oft fühlt man sich während des
warmen schwülen Sommers schlechter. Oder der Grad der Behinderung
nimmt als Resultat einer erhöhten Körpertemperatur, durch Fieber oder ein
heißes Bad, zu.
Sollte dies zutreffen, können folgende Vorschläge wertvoll sein :
- Ein längerer Aufenthalt in der Sonne sollte man vermeiden.
Die Rolläden sollten bei starker Sonne herunter gelassen werden.
- Es ist ratsam, die anstrengendsten Tätigkeiten an kühleren
Tageszeiten zu planen.
- Duschen oder baden sollte man möglichst kühl
Abschließend ist allerdings zu sagen, daß Wärme selbst die Krankheit nicht
verschlimmert.
MS und Schmerzen
Obwohl lange angenommen wurde, daß die MS selbst keine Schmerzen
verursachen würde, kommen diese doch recht häufig vor und beeinträchtigen
die Lebensqualität der Betroffenen nicht unerheblich.
Falls dies der Fall sein sollte, ist es ratsam mit dem Arzt darüber zu
sprechen! Da unterschiedliche Ursachen Auslöser der Schmerzen sein können,
wird er gemeinsam mit dir/mit Ihnen ergründen, wo diese ihre Ursache haben
und die geeignete Therapie empfehlen.
Krankengymnastik
ist während des Krankheitsverlaufs notwendig. Obwohl sie kein Heilmittel
darstellt kann sie doch helfen, das Beste aus den körperlichen
Möglichkeiten zu machen.
Nach akuten Schüben wird Physiotherapie angewendet, um
zurückbleibende neurophysiologische Schäden zu mindern. Während einer
gleichbleibenden Phase kann diese stabilisieren. Ein Physiotherapeut kann
auch zeigen, wie sich der Patient / die Patientin mit oder ohne Gehhilfen
besser und sicherer fortbewegen kann.
Krankheitsverlauf / Symptome
Die Verlaufsform einer MS ist von Patient zu Patient so unterschiedlich,
daß es nicht möglich ist, Vorraussagen zu treffen
Die Multiple Sklerose wird deshalb auch
"die Krankheit mit den 1000 Gesichtern" genannt.
Bei einer Vielzahl von Erkrankten verläuft die MS gutartig und anfänglich
auftretende Krankheitszeichen bilden sich fast alle vollständig zurück.
Auch wenn sich Krankheitszeichen nur unvollständig zurückbilden, bleiben die
Störungen gering ausgeprägt und beeinträchtigen wenig.
Es können allerdings auch zunehmende Beeinträchtigungen auftreten, die
bestehen bleiben. Jedoch nur in einzelnen Fällen (unter 5%) führt die
Erkrankung innerhalb weniger Jahre zu schwerer körperlicher Behinderung.
Da es nicht möglich ist eine Vorhersage des Verlaufs zu treffen, ist dies
eine große Belastung für Neuerkrankte und deren Angehörige.
Hinzu kommt, daß viele Patienten durch meist einseitige Darstellung der
MS noch zusätzlich verunsichert werden.
Hier können Gespräche mit anderen Betroffenen helfen, ein realitätsgerechtes
Bild der Krankheit zu bekommen.
Dafür möchten wir da sein und helfen.
Verlaufsformen
Der Krankheitsverlauf ist nicht vorhersehbar. Es gibt MS-Kranke, die in ihrem
Befinden kaum beeinträchtigt sind. Und es gibt Andere, deren Zustand sich
innerhalb kurzer Zeit bis zur völligen Invalidität verschlimmert.
Zwar hat jeder MS-Kranke eine besondere Konstellation von Symptomen, aber
man kann eine Reihe von Verlaufsformen gut unterscheiden :
Schubweiser Verlauf mit Remissionen :
Bei diesem Verlauf kommt es zu unvorhersehbaren Schüben, wobei neue
Symptome auftreten oder bestehende sich verschlimmern können. Solche Schübe
sind von unterschiedlicher Dauer (Tage bis manchmal Monate). Anschließend
kommt es zu einer partiellen oder kompletten Rückbildung (Remission).
Die Krankheit kann über Monate oder Jahre hinweg ruhen.
Gutartiger (benigner) Verlauf :
Nach ein oder zwei Anfällen mit vollständiger Erholung kommt es bei diesem
MS-Typ im Laufe der Zeit zu keiner weiteren Verschlechterung, und es tritt
keine bleibende Behinderung ein. Von gutartiger MS kann nur die Rede sein,
wenn nach 10 bis 15 Jahren lediglich ein minimaler Behinderungsgrad
besteht.
Ihr Anfangsbild entspricht dem der schubweisen Verlaufsform. Ein gutartiger
Verlauf beginnt zumeist mit weniger gravierenden Symptomen.
Sekundär fortschreitende (progrediente) Verlaufsform :
Bei manchen Erkrankten geht ein anfänglich schubweiser Verlauf mit
Rückbildungen (Remissionen) später in ein Stadium fortschreitender
Behinderung über, wobei weiterhin Krankheitsschübe auftreten können.
Primär fortschreitende (progrediente) Verlaufsform :
Diese Form ist durch das Ausbleiben einzelner Krankheitsschübe
gekennzeichnet. Sie beginnt schleichend und schreitet mit ständiger
Verschlimmerung fort. Die Ausfälle und Behinderungen häufen sich. Dieser
Prozeß kann irgendwann zum Stehen kommen oder über Monate und Jahre
weitergehen.
Die häufigsten Behandlungsmethoden
MS ist eine chronische Erkrankung, die noch nicht heilbar ist. Dies
bedeutet jedoch nicht, daß man sie nicht behandeln kann.
Während eines Schubes
Während oder nach Schüben wird seit vielen Jahren
Kortison
(Kortikoide) eingesetzt; es wirkt vorwiegend im Schub
entzündungshemmend.
Nicht jeder Schub muß zwangsläufig mit diesem Medikament behandelt werden.
Besonders leichtere Schübe können spontan abklingen und ausheilen.
Andererseits gibt es auch bei einer Behandlung mit
Kortison
keine Garantie für eine folgenlose Rückbildung der Beschwerden.
Jedes Medikament wirkt in jeder Situation anders.
Höhe und Dauer der Therapie werden deshalb individuell abgestimmt, gerade
auch in Anbetracht von Verträglichkeit und Nebenwirkungen.
Von einer Langzeiteinnahme des Kortisons ist eindeutig abzuraten. Patienten
sollten sich gründlich von ihrem behandelnden Arzt über Pro und Contra
des Kortisons informieren lassen.
Während des normalen Lebens
Eine Vielzahl anderer Medikamente (z.B.
Beta-Interferone,
Glatirameracetat / Copaxone, Immunglobuline, etc.)
greifen regulierend oder unterdrückend in das Immunsystem ein. Dadurch
scheint sich bei einigen Patienten das Fortschreiten der MS zu verlangsamen.
Diese Medikamente sollen eine Fehlsteuerung des körpereigenen Abwehrsystems
unterdrücken.
Für Erkrankte mit häufigen schweren Schüben können sie unter Umständen
sinnvoll sein, um damit von einer aktiven Krankheitsphase in eine stabile
Phase überzuleiten.
Auch wenn es zur Zeit noch keine allgemeingültige Therapie mit Sicherheit
auf Heilung der Multiplen Sklerose gibt, so sind doch eine Vielzahl von
etablierten Behandlungsmethoden vorhanden, welche die Symptome der MS günstig
beeinflussen können.
Alternativen zur Schulmedizin
Da die traditionelle Medizin die Multiple Sklerose zur Zeit nocht nicht
heilen kann, ist es nur verständlich, daß viele Patienten sich zur
Schulmedizin alternativen und ergänzenden Möglichkeiten wie
Naturheilverfahren, Körperwahrnehmungsübungen, usw. zuwenden.
Mitunter ist Skepsis gegenüber einigen Therapievorschlägen außerhalb der
Schulmedizin angebracht.
Und der kritische Rat Ihres Arztes erspart oft kostspielige und nicht immer
ganz ungefährliche Therapien.
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